„Erinnern reicht nicht, wir müssen Menschen zu Wort kommen lassen“
Anlässlich der Befreiung von Auschwitz am 27. Januar 1945 und des Angriffs der Hamas auf Israel hat der HSV ein Veranstaltungsprogramm organisiert.
Wir reden seit vielen Jahren darüber, dass wir wachsam sein müssen und dass so etwas wie der Holocaust nie wieder passieren darf. Am 7. Oktober ist etwas Schreckliches passiert. Deswegen reicht Erinnern nicht aus, wir müssen Menschen zu Wort kommen lassen“, sagt Cornelius Göbel, Direktor Fans, Kultur und Identität beim HSV. In der Regel gibt es am 27. Januar Erinnerungsaktionen zur Befreiung von Auschwitz, es werden Kränze niedergelegt, der HSV und Fans organisieren Stolpersteinrundgänge und es gibt ein übergeordnetes Thema durch die Nie-wieder-Initiative. In diesem Jahr war die Aktion deutlich umfangreicher: Der HSV hat anlässlich des Angriffs der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 ein Veranstaltungsprogramm organisiert.
Der HSV, sagt Göbel, habe aus seiner Vereinsgeschichte heraus eine Verantwortung. „Wir wollten Begegnungen schaffen, Menschen zu Wort kommen lassen, auf Dinge hinweisen, diskutieren und Verbindungen herstellen. Wir möchten uns mit betroffenen Menschen und insbesondere der jüdischen Gemeinschaft solidarisch zeigen.“ Das Thema sei besonders wegen der aktuellen politischen Entwicklung relevant, ergänzt er.
Wie jedes Jahr wurde zum 27. Januar dazu aufgerufen, Kränze an der Gedenktafel niederzulegen. Einen Tag später, beim Heimspiel gegen den Karlsruher SC, wurde zudem ein großes Banner mit der Botschaft „Gemeinsam gegen das Vergessen“ auf das Spielfeld getragen. Außerdem hatte das Netzwerk Erinnerungsarbeit Stadtteilrundgänge organisiert, die am 27. Januar stattfanden. Bei beiden Rundgängen sind 15 bis 20 Personen mitgelaufen, außerdem gab es einen Rundgang für die Young Ones. Die Aktionen sind Teil des Erinnerungstages im deutschen Fußball, der an die Befreiung von Auschwitz am 27. Januar 1945 erinnert und dem sich die Vereine der Bundesliga und der 2. Bundesliga anschließen. Der HSV hat die Erinnerungsaktion in diesem Jahr ausgeweitet.
Am 31. Januar fand die Podiumsveranstaltung „Davidstern und Raute“ in der Staatlichen Jugendmusikschule am Mittelweg im Rothenbaum statt. Ruth-Anne Damm (Zweitzeugin für Grete Hamburg, Schwester von Walter Jungbleib, ermordet am Bullenhuser Damm), Daniel Sheffer (Stiftung Bornplatzsynagoge) und Guy Klein (OFC Hamburger Jungs Israel) haben mit Moderatorin Wenke Stegemann über jüdisches Leben in Hamburg und beim HSV gesprochen. Auch gab es in diesen Tagen eine Ausstellung, die die Geschichte der Kinder vom Bullenhuser Damm, die in der dortigen Schule von den Nazis ermordet wurden, aufgearbeitet hat.
Der 7. Oktober im Fokus
Sheffer und Klein thematisierten abschließend den 7. Oktober, den Tag des Angriffs der Hamas auf Israel, und schilderten ihre Gefühle und wie sie den Tag erlebt hatten. Um den 7. Oktober ging es am folgenden Tag im Haus des Sports noch einmal intensiver. Ayelet Epstein, die den Angriff der Hamas am 7. Oktober im Kibbuz Kfar Az überlebt hatte, war ebenso aus Israel zugeschaltet wie der Journalist Ofer Waldmann. Das Gespräch führte Moderator Julian Riek von der Organisation what matters, die Unternehmen und Verbände dabei unterstützt, Haltung zu gesellschaftlichen Themen zu zeigen.
„Uns war wichtig, daran zu erinnern, was am 7. Oktober passiert ist. Wir wollten Menschen zu Wort kommen lassen, die das erlebt haben“, sagt Göbel. Die Schilderungen der Gesprächspartner:innen seien sehr eindrücklich gewesen. „Trotzdem ist für mich unbegreiflich, wie grausam die Welt sein kann, dass Menschen, die nichts für diese Konflikte können, solches Leid erfahren.“
Ayelet Epstein sprach über ihr persönliches Schicksal, darüber, wie sie die Angriffe erlebte und wie sie Familienmitglieder verlor. Darüber, wie es sich anfühlt, dass Familienmitglieder, Freund:innen und Bekannte teilweise noch immer vermisst oder in Geiselhaft sind. Ofer Waldmann ordnete das Geschehen ein, sprach auch über die Anteilnahme und die Rolle Deutschlands und hat aus einer persönlichen Betroffenheit heraus von Einzelschicksalen erzählt. „Er hat geschildert, wie das Leben vor Ort ist und wie es sich maßgeblich verändert hat, und hat auch ausgeführt, was das in Europa und mit der europäischen Gemeinschaft gemacht hat.“
Guy Klein, der bei der Podiumsveranstaltung auf der Bühne saß und auch die Gesprächsrunde rund um den 7. Oktober besucht hatte, war sehr zufrieden mit der Veranstaltungsreihe. „Ich weiß das Engagement des HSV sehr zu schätzen. Ich spreche viel mit anderen Freunden und weiß, dass sich andere Vereine wie der BVB und Werder Bremen auch engagieren.“ Das Engagement sei noch aus einem anderen Grund hervorzuheben: „Es gibt Angenehmeres, als sich mit Israel zu solidarisieren. Das wird schnell als politisch aufgefasst und kritisch beäugt. Für mich ist es nicht politisch, sondern menschlich, ich hoffe, das verstehen künftig noch mehr Menschen.“ Das Veranstaltungsprogramm des HSV war ein Schritt in die richtige Richtung, dem noch weitere folgen werden. |