SPIELFELD

Kommentar

Text: Jan Walter Möller

Viva la Superliga

Warum eine Superliga uns den ehrlichen Fußball zurückbringen würde.

Mein Freund Markus ist glühender Anhänger der Roten aus München. In den letzten sieben Jahren spielte der FC Bayern siebenmal in der Champions League in Madrid, entweder gegen Real oder Atlético. Markus war bei allen Spielen dabei und hat die Vereine aus Madrid damit häufiger gesehen als unseren HSV oder den 1. FC Köln. Ein weiterer Freund aus München berichtete 2014, dass sein damals zehnjähriger Sohn innerhalb von vier Jahren bereits drei Endspiele der Bayern in der Champions League gesehen hatte. Unfassbare Zahlen!

Ein elitärer Zirkel

Hier wird klar: De facto haben wir bereits eine Super League. Ein elitärer Zirkel mit fünfzehn bis zwanzig Vereinen aus den großen Ligen Westeuropas, die regelmäßig unter sich sind. Für noch mehr TV-Präsenz hat dieser Wettbewerb abstruse Züge angenommen. So kann zum Beispiel der Liga­vierte in den Topligen Europas noch den Titel erreichen. Die Meister hingegen aus Mazedonien oder von den Färöern müssen über vier Qualifikationsrunden gehen, um erstmalig die Chance zu haben, sich mit den Großen zu messen.

Als unser HSV 1983 in Athen den Europapokal der Landesmeister gewann, hatten sich 32 Mannschaften um diesen Titel beworben und spielten diesen in 29 Spielen aus. 35 Jahre später in der Saison 2017/2018 sind es 79 Mannschaften und 151 Spiele.

Eine eigene Plattform

Selbstredend werden wir das Rad nicht zurückdrehen können. Dafür geht es um zu viel Geld. Insbesondere im Bereich der Spielervermittlung werden Renditen erzielt, welche sonst in keinem regulierten Mark zu erreichen sind. Und da wir es ohnehin mit einem elitären Zirkel zu tun haben, der sich weiter abgrenzen wird: Warum gibt man diesen Vereinen nicht eine autarke und in sich geschlossene Plattform? Die Vorteile liegen auf der Hand:Die TV-Gelder würden noch mehr steigen, da mehr Topspiele gezeigt würden.Durch diese Gelder würde auch mehr Geld durch Ablösezahlungen in den Unterbau fließen, welcher junge, hervorragend ausgebildete Spieler in das Oberhaus schicken würde.In den jeweiligen Ligen, welche ihre besten Vereine „entlassen“ würden, würde es deutlich gerechter vor sich gehen, da mehr Vereine als bisher eine Rolle in der nationalen Liga spielen könnten.Die Bundesliga würde interessanter werden und an Vielfalt gewinnen. Für unsere Statistikfreunde: In den letzten zwanzig Jahren wurde die deutsche Meisterschaft 17-mal (85 Prozent) nach München oder Dortmund vergeben, im DFB-Pokal 14-mal (siebzig Prozent).


Die Zweiklassengesellschaft

Mit Blick in die Zukunft wird die Spaltung in eine Zweiklassengesellschaft noch deutlicher. Das Rechtepaket, welches in den Saisons 2017/2018 bis 2020/2021 den Bundesligavereinen in Summe jährlich circa 1,2 Milliarden Euro beschert, endet dann. In Asien interessiert sich mehr als die zehnfache Anzahl an dortigen Fans für europäischen Spitzenfußball. Um diese „Sucht“ zu befriedigen, bauen Vereine dort Büros auf und tauchen bei Freundschaftsspielen und Turnieren auf.Die Übertragung würde ab 2021 losgelöst von TV-Stationen über das Internet erfolgen. Eine sehr konservative Rechnung geht bei einem Spiel zwischen Bayern und Dortmund mit Kosten für den Fan von einem US-Dolar aus. Bei hundert Millionen Usern würde ein unglaublicher Betrag pro Spiel jeweils bei den Vereinen ankommen. Zum Saisonende dann mit Faktor x. Die Geldschere würde noch deutlicher auseinandergehen.Nach Recherchen des Nachrichtenmagazins „Spiegel“ gibt es bereits bei den Topvereinen Gedanken zu einer Superliga. Aus München kam der Versuch einer nebulösen Erklärung, der Kollege Hans-Joachim Watzke in Dortmund war ehrlicher und sprach, dass es auch seine Aufgabe als Vorstand sei, solche Möglichkeiten auszuloten. Natürlich muss man erwähnen, dass bei beiden Vereinen seit Jahrzehnten hervorragend gearbeitet wird.

Reclaim the Game

Die Machtverhältnisse in der Bundesliga sind jetzt schon wie zementiert und werden es für lange Zeit bleiben. Für uns Fans wäre die Liga wieder attraktiver und würde trotz des Abgangs der beiden Zugpferde kaum etwas von ihrer Strahlkraft einbüßen. Die Fans kommen, um die Atmosphäre in den Stadien bei Bier und Wurst zu genießen, und hoffen, dass die Chancen sich erhöhen, dass jeder jeden schlagen kann. Es wird in den nächsten Jahren noch deutlich mehr Geld in und aus dem Fußball fließen.

Vielleicht wäre dann die Zustimmung zu einer Superliga die ehrlichere Variante, um einem Lied unserer HSV-Band Abschlach! zu folgen: „Reclaim the game – holt euch das Spiel zurück!“

Welche Konsequenzen hätte diese Entwicklung für meinen Freund Markus? Er könnte weiterhin nach Madrid fahren, sogar zweimal pro Saison, jeweils gegen Real und Atlético, bei 25 Grad auf der Plaza Mayor ein San Miguel und einen Tapasteller genießen. Wir HSVer würden lieber unsere Blues-Brothers von den Glasgow Rangers in Schottland zum Euroleague-Spiel gegen unseren Verein besuchen. |