Einfach Leben retten
Ein HSV-Fan erkrankt an Leukämie. Eine Stammzellspende rettet sein Leben. Der Spender? Ebenfalls HSVer. Er ließ sich im Rahmen der Typisierungsaktion des Supporters Clubs registrieren.
Es wirkte wie ein klassischer Infekt“, sagt HSV-Fan Christian und erzählt von seiner Leidensgeschichte. Der heute 51-jährige Gymnasiallehrer sitzt in einer Loge des Volksparkstadions und blickt zurück auf die Sommerferien 2015, in denen er an einer vermeintlich klassischen Grippe erkrankte.
Zunächst sah es nach Grippe aus
Damals traten die typischen Symptome auf, Christian hatte Husten, Schnupfen und fühlte sich allgemein unwohl. Das einzig Komische: Im Gegensatz zu einer Grippe war er auch nach Tagen noch nicht wieder gesund. Schien der erste Infekt überstanden, folgte eine Lungenentzündung und daraufhin der nächste Infekt. „Ich war tatsächlich die ganzen Sommerferien über krank, und selbst im Herbst war keine Besserung in Sicht. Es war schlimm“, berichtet er. Die Arztbesuche ließen zunächst auf nichts Außergewöhnliches schließen, die Blutwerte passten zu einer Grippe, und die Leukozyten, die weißen Blutzellen, befanden sich in einem Wertebereich zwischen 12.000 und 15.000 –normal während einer Entzündung.
Der Wert der Leukozyten
Im November 2015 kommt dann die Blutprobe, die alles ändert. Nach einem weiteren Besuch bei seinem Hausarzt, einem Freund der Familie, ruft dieser an, Christian solle ins Krankenhaus fahren – am besten unverzüglich. Der Wert der Leukozyten sei auf 88.000 gestiegen. Christian möchte lieber bis zum nächsten Morgen warten, dann in Ruhe aufbrechen. Als es am Abend um 18 Uhr klingelt, steht sein Hausarzt persönlich vor der Tür. „Er wollte zu einem Konzert und sagte, er könne dies nur mit ruhigem Gewissen tun, wenn ich im Krankenhaus bin. Mein Zustand war bereits kritischer, als ich angenommen hatte“, erinnert sich Christian.
Erst im Krankenhaus angekommen, realisiert der Vater von drei Kindern den Ernst der Lage. Der Wert der Leukozyten explodiert, steigt auf 120.000. „Obwohl noch keine Diagnose feststand, erhielt ich schon die erste Chemotherapie, da die Lage so kritisch war“, erzählt Christian. Die Diagnose erfolgt kurz darauf und ist ein Schock. Christian hat Leukämie.
Christian bleibt zuversichtlich
Seine Welt und die seiner Familie gerät aus den Fugen. Doch Christian erweist sich als Kämpfer und bleibt während seiner langen Krankenhausaufenthalte, in deren Verlauf er sich insgesamt drei Chemotherapiezyklen stellen muss, zuversichtlich. Die nächste Nachricht, die Christian im Krankenhaus erhält, ist zum Glück positiv. Schon während des ersten Zyklus wird ihm mitgeteilt, dass es drei potenzielle Stammzellspender gibt, die einzige Chance, den Krebs zu besiegen.
Die Transplantation findet jedoch erst während des dritten Zyklus statt. Und die Zeit bis dahin vergeht quälend langsam, wie Christian sich erinnert. „Die Tage bis zur Transplantation vergingen einfach nicht. Es kommt dir wie eine Ewigkeit vor, wenn du im Krankenhaus liegst.“
Die ersten zwei Zyklen der Chemotherapie übersteht Christian ohne schwerwiegende Probleme, erst während des dritten kommt es zu Komplikationen. Er kann nicht mehr essen, bekommt die Nährstoffe flüssig über die Venen verabreicht.
Den besten Spender gefunden
Doch auch diese Phase steht Christian durch, und anschließend folgt der große Moment der Transplantation. „Man kann es sich wie eine Bluttransfusion vorstellen“, berichtet er. Nach drei Wochen des Wartens steht fest: Christians Körper hat die Spende angenommen, die Stammzellen haben ihre Arbeit aufgenommen. Dem HSV-Fan und seiner Familie fällt ein Stein vom Herzen. „Nach drei Jahren ist das Risiko, dass es noch einmal zu einer Spender-gegen-Wirt-Reaktion kommt, sehr gering“, erklärt er und erläutert, dass „bei einem möglichen Spender zehn Gewebemerkmale übereinstimmen müssen, damit die Stammzellen den neuen Körper akzeptieren. Da bei mir sogar drei potenzielle Spender infrage kamen, konnte man diese noch detaillierter untersuchen und letztendlich den besten Spender ermitteln.“
Von Fan zu Fan
Der ermittelte Spender und genetische Zwilling von Christian heißt Simon und ist auch HSV-Fan. Als sein Verein im Jahr 2015 einen Typisierungsaufruf für einen ebenfalls an Leukämie erkrankten HSV-Fan über Facebook teilt, wird Simon auf die DKMS, die Deutsche Knochenmarkspenderdatei, aufmerksam. Im Frühjahr 2015 lässt er sich für die Typisierung Blut abnehmen und ist ab dem Moment als potenzieller Spender registriert. Bereits im November desselben Jahres kommt die Anfrage der DKMS, ob er noch zu einer Spende bereit sei. „Ich habe dies sofort bejaht und würde es jederzeit wieder tun“, sagt der damals 25-Jährige. „Per Post erhielt ich ein weiteres Paket, da noch eine zusätzliche Blutprobe erforderlich war. Anschließend ging es zur Voruntersuchung in die Charité nach Berlin. Dort wurde alles durchgecheckt und letztendlich grünes Licht für die Spende gegeben“, schildert Simon den Ablauf.
Knochenmarkspenden
Für die Spende selbst wurde Simon über sechs Stunden an ein Gerät angeschlossen, das an eine Dialysemaschine erinnert. Sein Blut wurde insgesamt achtmal gefiltert, bis genügend Stammzellen gewonnen waren. Was mancher als Aufwand bezeichnen würde, ist für Simon eine Selbstverständlichkeit. „Ich hatte keine Informationen, für wen meine Spende bestimmt war. Trotzdem habe ich nicht lange überlegt, denn es gibt keinen leichteren Weg, ein Leben zu retten“, betont Simon.
Hallo, genetischer Zwilling
Nach zwei Jahren anonymen Briefkontakts folgt im Juni 2018 das erste Treffen der zwei Hamburger. Die Anonymität ist zunächst Vorgabe der DKMS, persönliche Informationen werden geschwärzt. „In einem Brief von Simon stand jedoch, dass er Fan vom Dino sei. Das haben die bei der DKMS wohl nicht verstanden“, erzählt Christian und die beiden schmunzeln. Als die zwei Jahre des anonymen Kontakts abgelaufen sind und beide die Kontaktdaten des anderen erhalten, greift Simon zum Handy, tippt Christians Nummer ein und schreibt: „Hallo, genetischer Zwilling!“ Sie vereinbaren ein Treffen bei Christians Stammgriechen, Patenonkel seines jüngsten Sohnes. Christians gesamte Familie erwartet Simon, der allein erscheint. Als die beiden sich sehen, fallen sie sich in die Arme und stellen im Verlauf des Abends fest, dass sie lediglich dreißig Kilometer voneinander entfernt wohnen. „Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit dafür?“, fragt Christian lächelnd.
Seitdem treffen sich beide mehrmals im Jahr und haben auch schon die nächsten Schritte vereinbart. „Ich möchte Christian meiner Familie vorstellen“, sagt Simon. „Und außerdem möchten wir einen HSV-Sieg live im Stadion verfolgen, nachdem unser erster gemeinsamer Besuch das Unentschieden gegen Union Berlin war.“ |
DKMS – Gemeinsam gegen den Blutkrebs
Alle 15 Minuten erhält ein Patient die Diagnose Blutkrebs, insbesondere Kinder und Jugendliche sind betroffen. Leukämie tritt bei einer Störung der normalen Blutbildung durch die unkontrollierte Vermehrung von entarteten weißen Blutkörperchen auf, wodurch das Blut seine notwendigen Aufgaben nicht mehr erfüllen kann. Die einzige Heilungschance ist eine Stammzellspende, jedoch findet jeder zehnte Patient keinen geeigneten Spender, und dies trotz mittlerweile über acht Millionen registrierter Personen. Die Registrierung als potenzieller Spender ist dabei völlig unkompliziert. Mithilfe eines Wattestäbchens wird ein Wangenabstrich genommen, welchen die DKMS auswertet und die Gewebemerkmale untersucht. Völlig unkompliziert und eventuell lebensrettend.
Also Mund auf – Stäbchen rein – Spender sein.
Mehr Infos unter www.dkms.de.