Halle und Rasen
Die Spieler der HSV-Panthers zwischen Futsal und Fußball.
Es ist der 32. Spieltag der Oberliga Hamburg. Am 5. Mai 2018, Freitagabend, 20 Uhr empfängt der FC Süderelbe die „Dritte“ des HSV e. V., die bereits als Absteiger in die Landesliga Hammonia feststeht. Ein rassiges, torreiches Duell, am Ende ein verrücktes Ergebnis: 6:8 für die Rothosen! Toptorschütze ist allerdings ein Stürmer von Süderelbe: Ian-Prescott Claus (heute bei Barmbek-Uhlenhorst). In der ersten Halbzeit gelingt ihm ein Doppelpack, in der zweiten binnen zwölf Minuten ein lupenreiner Hattrick. Fünf der sechs Treffer des Gastgebers gehen auf sein Konto. Das Kuriose sind aber nicht nur die überragenden Tore, sondern, dass Ian-Prescott Claus, wie seine elf Gegenüber vom HSV e. V., regelmäßig die Raute auf der Brust trägt. Jedoch nicht beim Fußball, sondern beim Futsal.
Mal miteinander, mal gegeneinander
Drei Wochen zuvor erreichte der 25-Jährige mit seinen HSV-Panthers das Halbfinale der deutschen Futsal-Meisterschaft. Mit 2:5 unterlagen sie in der heimischen Wandsbeker Sporthalle dem späteren Meister VfL Hohenstein. Einen Treffer erzielte (natürlich) Ian-Prescott Claus per Strafstoß.
Durch den Abstieg vom HSV III aus der Oberliga Hamburg kann es zwar nicht mehr zum direkten Duell des HSV-Futsalspielers gegen den HSV III kommen, aber viele Spieler der Panthers könnten an einem Wochenende erst miteinander in der Halle und dann gegeneinander auf den Außenplätzen spielen.
Vollgas in zwei Vereinen
Futsal hat in Deutschland noch nicht die Popularität, dass Klubs Spielergehälter zahlen oder einen Betreuerstab haben. Daher spielen die meisten parallel Fußball in hochrangingen Amateurligen, um sich ein paar Euro zu verdienen.
So steht zum Beispiel Yalcin Ceylani beim FC Süderelbe in der Oberliga Hamburg im Tor, gehört aber auch zum Inventar der HSV-Panthers. Mehrere Trainingseinheiten und Spiele in einer Woche machen ihm nichts aus: „Es ist gar nicht so schwer. Man muss nur richtig Bock haben. Ich trainiere montags, dienstags und donnerstags mit der Fußballmannschaft des FC Süderelbe, freitags steht meistens das Pflichtspiel in der Oberliga an. Mittwochs trainiere ich mit den HSV-Panthers. Unsere Spiele in der Futsal-Regionalliga sind immer samstagabends. Mir macht es nichts aus, sechsmal die Woche in zwei Vereinen Vollgas zu geben.“
Futsal braucht professionellere Strukturen
Eine Ideallösung ist das nicht. Viele wünschen sich eine Professionalisierung im deutschen Futsal, damit sich die Spieler auf diese Sportart konzentrieren können. Denn die gegenwärtige Situation ist auch ein Grund, warum die Panthers in den vergangenen zwei Jahren jeweils im Halbfinale um die deutsche Meisterschaft ausgeschieden sind, obwohl sie als Rekordmeister zu den besten Teams gehören. Die Planungen für eine Bundesliga laufen, vielleicht gibt es dann die Möglichkeit, dass Ian-Prescott Claus nur noch für den HSV e. V. trifft, nicht mehr gegen ihn.
Hohe Entwicklungschancen im Futsal – ein Interview mit dem HSV-Panthers Gründer Onur Ulusoy
Onur Ulusoy ist in der deutschen Futsalszene äußerst bekannt. Er hat die HSV-Panthers ins Leben gerufen und sie zu dem gemacht, was sie heute sind: Deutschlands Rekordmeister. Kaum einer im deutschsprachigen Raum kennt sich in dieser Sportart so gut aus wie er.
Onur, du bist einer der wenigen Spieler im Kader, die nicht noch in einem Fußballverein spielen. Wie bist du zum Futsal gekommen und bis wann hast du parallel Fußball gespielt?
Vor neun Jahren bin ich durch einen Kollegen mit Futsal in Kontakt gekommen. Wirklich fasziniert hat es mich erst bei den Finalspielen wie dem Uefa Futsal Cup. Im Nachhinein ist uns aufgefallen, dass wir anfangs keine Ahnung hatten. Je mehr wir darüber lernten, umso größer wurde die Begeisterung, bis es sogar einen höheren Stellenwert als Fußball bekam. Leider haben die Fußballvereine oftmals Futsal als Konkurrenz gesehen und nicht als alternativen Entwicklungsweg. Das war auch der Grund, warum ich mich vor zwei Jahren gegen Fußball und Geld entschieden habe, weil ich im Futsal den anspruchsvolleren Sport gesehen habe und die Entwicklungschancen dort noch größer sind. Vor allem die individuelle Arbeit ist beim Amateurfußball nicht so im Fokus wie im Futsal, wo man auch an Motorik, Raumorientierung und Einschätzung der Situationen arbeitet. Es ist ähnlich wie beim Schach, wenn du in Millisekunden drei bis vier Züge vorausschaust.
Viele Jungs spielen in Hamburgs Oberliga. Können die Spieler dann sofort richtig gut Futsal spielen, oder müssen sie das neu lernen?
Natürlich gibt es den ein oder anderen, der mehr Talent für die Halle hat. Aber Futsal unterscheidet sich stark von Fußball und Hallenfußball. Eine große Rolle spielt die Motorik. Die Bewegungen, die man beim Fußball in der Regel lernt, sind für den Futsal weniger effektiv. Beim Futsal ist es wichtig, sich auf engstem Raum unter hohem Druck zu lösen. Diese Effektivität kann ich natürlich mit dem Fußball kombinieren, wie es beispielsweise Andrés Iniesta jahrelang gezeigt hat. Schnell einsteigen kann man immer, doch dauert es Jahre, die Bewegungen, Formationen und Spielzüge zu kennen und auszuführen. Aber mit Fleiß und Aufnahmebereitschaft kann man das schaffen.
In der Fußball-Oberliga wird mehrmals die Woche trainiert und am Wochenende gespielt. Wie schaffst du es, den Spielern dein Futsalwissen zu vermitteln?
Leider können wir die begrenzte Zeit nur für die wesentlichen Elemente nutzen, und ich muss oft das individuelle Training außen vor lassen. Wir könnten durch mehr Training noch besser werden. Aus solchen Gründen haben wir in der letzten Saison leider die Meisterschaft verloren. Ich hoffe, wir können in Zukunft auf Unterstützung bauen, damit wir an diesen Dingen arbeiten können.
Es sind bestimmt nicht viele Trainer begeistert, wenn ihre Jungs parallel in der Halle kicken. Wie läuft die Absprache mit den Vereinen?
Natürlich gibt es Trainer, die den Mehrwert dieser Sportart erkannt haben. Das sind vor allem die jungen. Andere gönnen einem nicht den Erfolg und lassen ihre Mannschaft eher mit langen Bällen spielen, um die Möglichkeiten durch unseren Sport einzugrenzen. Viele Fußballvereine sind der Meinung, wenn ein Spieler in der Ober- oder Landesliga 400 Euro verdient, über dessen Freizeitaktivitäten bestimmen zu dürfen. Bei semiprofessionellen Teams, bei denen höhere Gehälter gezahlt werden, kann ich das noch ein Stück weit nachvollziehen.
Gibt es Futsalvereine, deren Spieler sich zu hundert Prozent auf diese Sportart konzentrieren?
Deutschlandweit gibt es nur wenige Mannschaften, etwa den aktuellen Futsalmeister VfL 05 Hohenstein-Ernstthal. Wir bei den Panthers wollen irgendwann ausschließlich Futsaler haben, aber nicht den Draht zum Fußball verlieren und schon gar nicht zu seiner Konkurrenz werden. Ich denke, dass Futsal vor allem für Kinder ein ideales Training ist. Wenn der Zug Profifußball abgefahren ist, sollte Futsal als gute Alternative dienen.
Ist eine Professionalisierung beim Futsal noch wichtiger, damit die Jungs auch etwas Geld verdienen?
Definitiv. Wir schöpfen unser Potenzial bislang nicht aus. Man darf nie vergessen, dass wir es mit begrenzten Mitteln unter die 16 besten Mannschaften Europas geschafft haben. Doch die Spieler werden älter, und die Doppelbelastung zehrt an den Kräften. Es wird schwieriger, ohne professionelle Strukturen eine Mannschaft aufzubauen wie zu Beginn der Panthers-Geschichte. Wir müssen daran arbeiten, dass in naher Zukunft Spieler so bezahlt werden, dass sie ihren Fokus komplett auf den Futsal lenken.
Was wäre deine persönliche Wunschlösung für die Zukunft?
Zuallererst wünsche ich mir einen vernünftigen Etat. Damit könnte man den Betreuer- und Trainerstab erweitern, beispielsweise um einen Fanbeauftragten, einen Spielanalysten oder einen Torwarttrainer.
Sehr wichtig ist, dass man eine zentrale Halle hat, in der Training sowie Heimspiele stattfinden. Außerdem würde ich die Spiele besser vermarkten. Man sollte dem Zuschauer mehr bieten und ihn näher an die Mannschaft bringen. |