SPIELFELD

Unterwegs

Text: Jan Walter Möller

Der HSV im Erzgebirge

Am 10. November 2018 um 13 Uhr führte der Spielplan der zweiten Bundesliga uns Rothosen nach Aue ins Erzgebirge. Zum ersten Mal im Ligabetrieb und zum zweiten Pflichtspiel nach der ersten Runde im DFB-Pokal im Jahr 2000 ging es nach Südsachsen.

Aufgrund der Kapazität des Stadions von 16.000 Plätzen war natürlich auch der Gästeblock komplett ausverkauft. Schlussendlich fanden sich an die 2000 Schlachtenbummler aus der Hansestadt in dem kleinen Ort an der tschechischen Grenze ein. Für die Bahnfahrer sollte die Reise besonders knifflig werden. Jeweils dreimal auf der Hin- sowie der Rückreise musste umgestiegen werden, und so fanden sich morgens um 4.45 Uhr etwa hundert Anhänger auf dem Hamburger Hauptbahnhof zusammen. Die letzte Etappe durch das malerische Erzgebirge wurde mit einem Schienenbus zurückgelegt, welcher komplett überladen pünktlich Aue erreichte. Dort wurden die letzten „Kartenlosen“ von Freunden aus Aue mit Tickets versorgt, ehe es per Bus zum Stadion ging.

Ein kleines, feines Stadion, in dem ein gut aufgelegtes Heim- und Auswärtspublikum die Premiere der beiden Vereine in Liga zwei sah. Man genoss bei sommerlichen Temperaturen die Gastfreundschaft der Erzgebirgler, welche die im gesamten Stadion verteilten HSVer freundlich begrüßten. Das angeblich beste Essen im deutschen Fußball wurde auch getestet. Die Auer Nudelpfanne für vier Euro (Nudeln, Wurstgulasch und Käse) wurde mit der Note Zwei versehen. Gibt es deutlich schlechter, aber für einen Spitzenplatz fehlte die Würze. Das lokale Bier für drei Euro je 0,4-Liter-Becher entschädigte.

Man erkannte schnell, dass der HSV den Gastgebern spielerisch überlegen war, und dies zeigte sich auch im Ergebnis: 1:3. Pünktlich mit dem Abpfiff verließ man das Lößnitztal, um die neunstündige Rückreise anzutreten, welche trotz dreifachen Umsteigens pünktlich um null Uhr in Hamburg endete.

Die Spielnachbearbeitung fand für wackere Fans in einer Kellergaststätte in St. Georg statt, bis auch diese Reise ihr Ende fand.

Festzuhalten bleibt, dass die Jungs aus Aue hervorragende Gastgeber waren und man dort angenehme Stunden verbringen konnte. Schnell kam man ins Gespräch und erfuhr viel über den Verein und die Situation. Da das Erzgebirge wie das Ruhrgebiet eine lange Bergbautradition hat, fand man im und vor dem Stadion Berührungspunkte in Form von Wandmalereien, Loren, Lampen und Presslufthämmern, welche die tiefe Verwurzelung mit dieser Branche zeigten. Charakteristisch im Stadion dann ein Schriftzug auf der Heimseite: „Grubenlampe, Arbeitsschuh – Wismut Aue, ich und du!“ Dass sich dieser abseits gelegene Ort mit 16.000 Einwohnern seit Jahrzehnten im deutschen Profifußball halten kann, ist sehr hoch einzuordnen und vielleicht auch ein kleines Fußballwunder.

Für den HSV bedeutete diese Reise in die Provinz auch, ein Stück Erdung zurückzubekommen. Aue spielt mit uns gleichberechtigt in einer Liga, und es tut allen (Verein, Offiziellen, Spielern und Fans) mehr als gut, wie wir diese Liga mit Demut und harter Arbeit annehmen. Für den allergrößten Teil der Fans wird nämlich gerade durch solche Spiele der Fußball gelebt.

Die Champions League mit ihren kranken Auswüchsen ist im Gegensatz dazu eine Parallelgesellschaft, welche sich seit Jahren immer weiter von ihrem Publikum abwendet. Natürlich wird dort teilweise sensationeller Fußball gespielt, da die Vereine durch die Vermarktungsgelder in einigen Bereichen nahezu unbegrenzte Ressourcen haben, um die besten Spieler zu kaufen. Für echten Charakter, für den Geruch von Fußball und Fankultur, für den Wert des Spiels für uns Fans selbst sind jedoch Spiele wie in Aue ein hoch anzusiedelndes Glück. Natürlich wird sich dieses Rad nicht mehr aufhalten lassen. Vielleicht besteht aber die Möglichkeit, es zu entschleunigen und für sich selbst „Last Resorts“ zu finden. Es liegt auch an euch. |